Bericht Nr. 17
Bewertung der Auswirkungen von Umweltfaktoren auf die Struktur und Lebensgemeinschaften von Quellen in Rheinland-Pfalz
Kurzfassung:
Basierend auf den Daten von 334 natürlichen und anthropogen veränderten Quellen aus allen Grundwasserlandschaften von Rheinland-Pfalz, analysiert die vorliegende Arbeit Zusammenhänge zwischen Eigenschaften des Einzugsgebietes wie Geologie und Landnutzung, des Umfeldes, der Morphologie und Struktur und der Hydrochemie hinsichtlich der besiedlungsrelevanten Faktoren für die Quellfauna. Dabei lag ein Schwerpunkt auf der aquatischen Makrofauna, die sowohl die Wasser- als auch die Strukturqualität widerspiegelt und große Bedeutung für die Beurteilung von Quellbiotopen hat. Fragen der Arbeit waren neben der naturräumlichen Verteilung von Quellarten mögliche Anpassungen an die Versauerung, die Frage nach der Besiedlung von Quellfassungen und nach Auswirkungen anthropogenen Umfeldveränderungen. Es wurden Schlüsselparameter bei den Strukturmerkmalen hinsichtlich der Naturnähe herausgearbeitet und die Quellen morphologisch und faunistisch bewertet und die Ergebnisse verglichen. Außerdem wird eine morphologische Typologie der Quellen des Landes gegeben und Referenzquellen herausgefiltert und ausgewertet. Weiterhin werden faunistische Referenz- bzw. Leitarten für ausgewählte Quellräume vorgeschlagen.
Infolgedessen bildet die Arbeit einen Ansatz für die morphologische und faunistische Leitbildentwicklung in Rheinland-Pfalz. Ein wichtiger Teil ist das eigene, kompakte Kartier- und Bewertungsverfahren zur Quellstruktur, wo bislang noch ein Defizit bestand. Dieses Verfahren erfasst in einem Erfassungsbogen alle ökologisch bedeutsamen Strukturparameter und bewertet diese in einem fünfstufigen System. Die Ergebnisse dieser Arbeit sollen die Grundlagen für die Umsetzung von Quellschutzmaßnahmen liefern, so dass im Sinne der Naturschutzforschung auch naturschutzfachliche Aspekte in die wissenschaftlichen Analysen ein gehen.
Die beprobten Quellen stellen nur einen sehr geringen Anteil der Quellen in Rheinland-Pfalz dar. Knapp zwei Drittel der vorwiegend perennierenden Quellen lagen im Wald, etwa 59 % von ihnen waren gefasst. Trotz des hohen Bewaldungsgrades befand sich nach dem Strukturverfahren nur noch etwa ein Drittel in naturnäherem Zustand (Klasse 1 und 2). Etwa zwei Drittel der Quellen waren mehr oder weniger beeinträchtigt bis stark geschädigt. Die landesweit repräsentative Strukturbewertung ergab in der Kartierung etwa 14 % naturnahe, 19 % bedingt naturnahe, 22 % mäßig beeinträchtigte, 24 % geschädigte und 21 % stark geschädigte Quellen. Geschädigte und gefasste Quellen häuften sich in anthropogen überprägten Regionen wie in Flächen mit intensiver Landwirtschaft und um Siedlungsräume. Nadelholzmonokulturen bildeten eine weitere Schädigungsursache. Fassungen, Verrohrungen, Betonverbau waren ökologisch besonders bedeutsam, aber auch Ablagerungen, Aufstaue und starker Besucherdruck hatten Verschlechterungen der Struktur zur Folge. Die Größe der Quellbiotope war bei gefassten Quellen und in Regionen mit intensiver Landwirtschaft am geringsten. Die Analyse anthropogener Strukturveränderungen zeigte, dass Alter und Zustand einer Fassung sehr starker Einfluss auf die Besiedlung hat und alte und verfallene Fassungen oft eine bessere Strukturbewertungsklasse aufweisen als neue Fassungen mit stärkerer Unterhaltung. Außerdem lagen naturnahe Quellen häufig in Laub- und Mischwald sowie in extensivem Grünland und wiesen viele Substrattypen und besondere, quelltypische Strukturen auf. Folgen von Wasserentnahmen wurden nicht quantifiziert, trotzdem ergaben sich Hinweise auf das Versiegen von Quellen im Umfeld von Entnahmestellen.
Die morphologische Quelltypologie schlug in elf abgegrenzten hydrogeologischen Quelltypenräumen vier Basisquelltypen und fünf geochemische Sondertypen vor, die sich in erster Linie auf gängige Quelltypen stützen. Die Wanderquelle wurde neu hinzugenommen. Die landesweite Verteilung der Quelltypen ergab bei ungefassten Quellen ungefähr 57 % Sicker-, 32 % Sturz-, 9 % Tümpel- und 2 % Wanderquellen. Wanderquellen dürften aber noch öfter vorkommen. Das Relief und die Substrateigenschaften, die durch die Geologie bestimmt werden, sind entscheidende Faktoren für die Typologie. Waren Sturzquellen vor allem im Buntsandstein zu finden, dominieren Sickerquellen im Tonschiefer des rheinischen Schiefergebirges beiderseits des Rheins. Außerdem wurden 85 charakteristische Strukturreferenzquellen für Rheinland-Pfalz benannt, welche typische, naturnähere Beispiele in den einzelnen Quelltypenräumen darstellen.
Schüttung und Morphologie der Quellen sind von Naturraum und Grundwasserlandschaft abhängig, so dass Buntsandsteinquellen ergiebiger und konstanter schütteten als Tonschieferquellen. Letztere sind zwar häufiger (größere Quelldichte), oft aber periodisch. Die mittlere Schüttung aller Quellen lag bei 2,9 l/s, am stärksten schütteten Hangfußquellen. Im Winterhalbjahr von Dezember bis Mai war die Schüttung deutlich höher als im Sommerhalbjahr von Juni bis November. Neben den hydrochemischen Eigenschaften spiegeln Quellen auch die Hydrologie ihrer Einzugsgebiete wider, welche stark von dessen Nutzung und Bodeneigenschaften abhängig ist. Die Hydrochemie unterlag in einzelnen Quellen nur geringen jahreszeitlichen Schwankungen, in verschiedenen hydrogeologischen Einheiten differierten aber die chemischen Parameter recht stark. Die Wassertemperatur der Quellen lag im Schnitt bei 9,1 °C, wobei Isohermie nur bei stärker schüttenden Quellen im Hauptwasserkörper zu erwarten ist, während die mittlere Sauerstoffsättigung generell mit 86 % recht hoch war, da sich das Quellwasser nach dem Austritt schnell mit Luftsauerstoff sättigt. Der pH-Wert ist stark von den Puffereigenschaften der Böden abhängig und im Quellwasser versauerungsgefährdeter Gebiete wie dem Hunsrück mit devonischem Quarzit und dem Pfälzerwald mit Buntsandstein häufig sehr niedrig. Der Median aller Quellen lag bei pH 6,6. und reichte von pH 7,6 im Schichtstufenland bis zu pH 5,7 im Südlichen Hunsrück. Versauerungskorreliert waren verschiedene Metallionen wie Aluminium und Mangan. Ebenfalls abhängig von der Geologie waren Karbonathärte, Leitfähigkeit, Kalzium und Magnesium, die örtlich stärker schwanken. Mit den Bodeneigenschaften gekoppelt ist auch der Nitratgehalt, dessen Erhöhung anthropogen bedingt ist, besonders in intensiv landwirtschaftlich genutzten Räumen. Nach der EU-Grund-wasserrichtlinie führt Grundwasserversauerung und Nitrateintrag zu einer Beeinträchtigung der Grundwasserkörper und somit zu einem Handlungsbedarf, wobei Quellen wichtige Messpunkte bilden.
Quellen weisen als hochdiverse Lebensräume eine stark spezialisierte Fauna (konkurrenzschwache Arten, endemische Glazialrelikte) mit kleineren Populationen in isolierter Lage auf, was die Neubesiedlung nach Störungen erschwert. Bei der Untersuchung der 310 Quellen wurden insgesamt 292 Arten bzw. höhere Taxa des Makrozoobenthos nachgewiesen. Es wurden 69 quellassoziierte Taxa gezählt, hiervon waren 24 krenobiont und 65 krenophil. Der Anteil der quellassoziierten Fauna an der Gesamtfauna lag bei über 30 %. Es fanden sich 19 Erstnachweise für Rheinland-Pfalz, 9 besondere Nachweise (seltene Arten) und 19 Rote-Liste-Arten. Erstnachweise fanden sich in den noch wenig bearbeiteten Dipterengruppen, vor allem bei den Psychodidae, Limoniidae und ferner bei den Simuliidae. Bei den Köcherfliegen wurden etliche seltene Arten gefunden, welche bisher in Rheinland-Pfalz kaum gefunden wurden. Häufigere krenobionte Taxa waren Crunoecia irrorata, Bythinella dunkeri, Niphargus sp., Pisidium personatum, Salamandra salamandra, Thaumalea sp., Agabus guttatus, Crenobia alpina, Oxycera sp. und Beraea maura. Die durchschnittliche Taxazahl pro Quelle betrug 11, die maximale 62 Taxa. Hinsichtlich der Besiedlung wurden deutliche Unterschiede zwischen den Naturräumen festgestellt, wobei auch biogeographische Aspekte von Bedeutung sind.
Die Zusammensetzung der Zoozönosen wird durch die Geologie, die Hydrochemie, die Schüttungsverhältnisse, die Landnutzung im Einzugsgebiet sowie die Strukturvielfalt an der Quelle beeinflusst, was anhand wichtiger Quellarten dargestellt wird. Einzelne Faktoren mit Einfluss auf die Besiedlung wurden und ihrer Auswirkung getestet. Als wichtig stellten sich bei der Hydrochemie der pH-Wert und die Leitfähigkeit sowie die Carbonathärte heraus. Ein Beispiel für das komplexe Faktorengefüge der Besiedlungsbedingungen in Quellen ist die Versauerung, die grundsätzlich besiedlungsbeschränkend ist. Sie tritt besonders in Hochlagen pufferarmer Mittelgebirge wie Hunsrück und Pfälzerwald auf und überlagert strukturelle Faktoren. Bei niedrigen pH-Werten kommt es zu hohen Konzentrationen versauerungskorrelierter Inhaltsstoffe wie Aluminium oder Mangan. Niedrige pH-Werte äußern sich in verminderten Taxazahlen, da unterhalb von pH 5,5 säureempfindliche Arten ausfallen. Allerdings sind einige Quellorganismen offensichtlich an eine gewisse Versauerung angepasst, was z. B. für Crunoecia irrorata gilt. In versauerten Quellen waren generell zwar weniger Taxa enthalten, der Anteil der Quelltaxa war aber recht hoch, was die These einer versauerungsangepassten Quellfauna bestätigt. Außerdem ergab die Untersuchung, dass gefasste Quellen weniger Taxa und Quelltaxa aufweisen, was insbesondere für neue und intakte Fassungen gilt. Es stellte sich heraus, dass eine Reihe von alten gefassten sowie verfallene Fassungen quelltypisch besiedelt waren und oft eine hohe Quelltaxazahl vorlag, so dass diese als sekundär ökologisch wertvoll zu bezeichnen sind. Weitere Schädigungen, die eine Verminderung der Taxazahl als auch eine negative Quellstrukturbewertung zur Folge hatten, sind verschiedene Formen des Verbaus wie Verrohrungen oder Trittschäden. Strukturell unveränderte und unversauerte Quellen besaßen im Schnitt höhere Taxazahlen, wobei viele Substrattypen, Strömungszustände und besondere Strukturen positive Auswirkungen hatten. Die Umfeldnutzung und die Größe des Quellbereichs spielen ebenfalls eine wichtige Rolle für die Besiedlung, so dass Quellen in Laub- und Mischwald sowie in extensivem Grünland am besten besiedelt waren. Dies gilt auch für die Quelltaxa. Die stärksten statistischen Zusammenhänge mit der faunistischen Besiedlung hatten die Bewertungsergebnisse des Strukturverfahrens.
Im faunistischen Bewertungsverfahren nach FISCHER dominierten Quellen mittleren Hemerobiegrades. Die Besiedlungszahlen bestätigten grundsätzlich die Ergebnisse des FISCHER-Verfahrens. Es existiert ein Bruch zwischen Quellen der stark geschädigten Klasse mit sehr wenigen Arten und den anderen Klassen. Das Verfahren korrelierte mit der Schüttung, der Anzahl Substrattypen, besonderer Strukturen (mikrohabitatbestimmende Faktoren) und der Anzahl Quelltaxa und besonders mit der Strukturbewertung. Von den beiden weiteren getesteten faunistischen Verfahren lieferte der modifizierte Krenon-Typie-Index brauchbare Ergebnisse, was beim Benthos-Index nicht der Fall war. Ersterer zeigte eine pessimistischere Bewertung der Quellen als das FISCHER-Verfahren. Insgesamt waren die stärksten faunistischen Schädigungen auf landwirtschaftliche Veränderungen zurückzuführen. Die mit den geschilderten Verfahren herausgefilterten naturnäheren Quellen wurden multivariaten statistischen Methoden unterzogen, die der Ermittlung von Besiedlungsfaktoren und der Leitbildentwicklung dienten. Es ergab sich eine unterschiedliche Besiedlung bei verschiedener Hydrogeologie und Hydrochemie sowie bei verschiedenen Quelltypen. Allerdings waren die Ergebnisse nicht eindeutig, so dass die Trennung der Quelltypen nur teilweise gelang und die Quelltypen von den Grundwasserlandschaften überlagert waren. Die Faunenunterschiede verschiedener Regionen sind größer als die einer Region, so dass morphologische Quelltypen faunistisch nur innerhalb einer hydrogeologischen Einheit von Bedeutung sind. Es wurden regionale faunistische Leitarten für vier Grundwasserlandschaften genannt, wobei sich auf wenige hochstete Quellarten beschränkt wurde. Die Arbeit zeigt, dass faunistisch orientierte Leitbilder nur unter Schwierigkeiten anzugeben sind und vollständige Typuszönosen für größere Gebiete grundsätzlich in Frage zu stellen sind. Sehr häufige grundsätzliche Leitarten für Quellen silikatischer Mittelgebirge in Rheinland-Pfalz sind Crunoecia irrorata, Bythinella dunkeri, Niphargus sp. und Pisidium personatum, seltenere Leitarten sind Salamandra salamandra, Beraea maura, Agabus guttatus, Beris sp. und Thaumalea sp. hinzu. Je nach Kalkgehalt und Biogeographie ist noch Crenobia alpina zu ergänzen.
Die Ergebnisse dieser Arbeit schaffen Voraussetzungen für den Schutz von Quellen, insbesondere bei der Bewertung von Quellbiotopen. Es bleiben aber noch Fragen offen, speziell hinsichtlich genauer Leittypen. Da Quellbiotope zu den am stärksten bedrohten Lebensräumen Mitteleuropas gehören, ist weiterer Forschungsbedarf gegeben. Neben der Renaturierung geschädigter Quellen ist insbesondere der Schutz noch intakter Quellbiotope vorrangig.