Fachgebiet Wasserbau

Bericht Nr. 12

Die Auswirkungen von Renaturierungsmaßnahmen auf die Gewässergüte und die Selbstreinigungskraft eines Fließgewässers am Beispiel der Oster (Saarland)

Kurzfassung:

Im Zusammenhang mit der Renaturierung von Fließgewässern wird immer wieder das Argument einer erhöhten "Selbstreinigungskraft" bei besserer morphologischer Ausstattung vorgebracht. Wissenschaftliche Untersuchungen zur Quantifizierung des Selbstreinigungsvermögens bei unterschiedlicher struktureller Ausprägung fehlen jedoch bislang weitgehend.

Im Rahmen eines Erprobungs- und Entwicklungsvorhabens des Bundesumweltministeriums wurden über ein Jahrzehnt neben biologisch-ökologischen Daten zahlreiche chemisch-physikalische Größen an einem kleinen, organisch stark belasteten Fließgewässers erhoben, welches während der Untersuchungszeit naturnah umgebaut wurde. Die vorliegende Arbeit versucht diese Daten so gegenüberzustellen, dass Aussagen über die Auswirkungen der strukturverbessernden Maßnahmen auf die Gewässergüte (Wasserbeschaffenheit) und auf die "Selbstreinigungskraft", hier interpretiert als Abbauraten organischer Stoffe bzw. Umbauraten anorganischer Verschmutzungsindikatoren, möglich werden.

Tatsächlich konnte durch die Messungen eine Steigerung der Umsatztätigkeit zwischen den beiden Untersuchungszeiträumen vor und nach den Umbaumaßnahmen festgestellt werden. Diese geht jedoch einher mit tendenziellen Verschlechterungen der Gütesituation insbesondere des Sauerstoffhaushalts, so dass sich die Lebensbedingungen einige Jahre nach der Renaturierungsmaßnahme eher verschlechtert haben. Biologische Erhebungen bestätigen diese Tendenz. Ein Kausalzusammenhang zwischen den beobachteten Unterschieden und der veränderten Morphologie ist jedoch nicht zu belegen. Zu den bei Freilandmessungen üblichen Einschränkungen (multifaktorielles offenes System) kommen hier noch im Einzelfall des bearbeiteten Projektes auftretende Schwierigkeiten hinzu, die eindeutige Aussagen verhindern.

Aus diesen Gründen wurde mit Hilfe eines Gewässergüte-Simulationsprogrammes das Gewässer modelliert. Dabei wurden die Randbedingungen konstant gehalten und die durch die Renaturierung vollzogenen Veränderungen der Bachbettmorphologie und der Ufervegetation einzeln wie auch zusammengefasst auf ihre Wirkung getestet. Bedingung für eine solche Modellierung waren zahlreiche Daten aus dem Projektgebiet, welche durch die umfangreichen Erhebungen des E+E-Vorhabens vorhanden waren. Die gewonnenen Ergebnisse konnten mit den tatsächlichen Messungen verglichen und bewertet werden.

Die sich durch die Freilandmessungen abzeichnenden Tendenzen wurden durch die Gütemodellierung bestätigt. Eine Steigerung der Abbauraten von BSB, CSB und Ammonium geht mit einer Verschärfung der kritischen Sauerstoffverhältnisse einher. Die Erhöhung der Rauheit durch die Umbaumaßnahme sorgt über eine Reduktion der Fließgeschwindigkeit und über die Vergrößerung der Aufwuchsfläche für Destruenten und Nitrifikanten für die stärksten Auswirkungen auf Abbauraten und Sauerstoffhaushalt. Demgegenüber ist der Einfluss der Fließwegverlängerung und der Verbreiterung des Bachbetts eher gering.

Eine Beschattung wirkt sich erst im Extremfall, einer vollständigen Bewaldung der Aue, einschneidend auf den Stoffhaushalt aus. Insbesondere die Nährstoffaufnahme durch Algen wird hier deutlich vermindert. Trotz der Verringerung der "Selbstreinigungskraft" bei zunehmender Beschattung erfolgt keine Entlastung des Sauerstoffhaushalts. Somit sind die negativen Effekte der Renaturierung auf die Gewässergüte auch langfristig nicht umzukehren.

Aufgrund der gewonnen Ergebnisse wird die Empfehlung gegeben, die "Erhöhung der Selbstreinigungskraft" nicht als Argument für Renaturierungsmaßnahmen anzuführen.

 

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