Weiterentwicklung von Analysemethoden zur Schädigungssimulation von Stahlbetonstrukturen infolge stoßartiger Belastungen
Inhaltsübersicht der Dissertationsschrift von Pascal Distler
Stahlbeton muss neben den erfahrungsgemäß auftretenden statischen Lasten auch dynamischen Stoß- und Anprallbeanspruchungen standhalten. Das Schädigungsverhalten bei diesen hochdynamischen Belastungen ist aufgrund der starken Nichtlinearität sehr komplex. Insbesondere der Bau von Gebäuden und industriellen Anlagen mit erhöhten Sicherheitsanforderungen hat dazu geführt, dass die Erforschung von kurzzeitdynamischen Belastungen auf Stahlbetonbauteile ein wesentlicher Bestandteil wissenschaftlicher Forschung und Analysen wurde. Ziel ist es die Schädigungsmechanismen von Stahlbetonstrukturen zu analysieren, zu quantifizieren und somit berechenbar zu machen.
Potenzielle Stoßkörper oder Projektile umfassen dabei Fragmente von Explosionen, Flugzeuge bzw. deren Komponenten, Raketen oder Bomben, herabfallende Lasten, wie u. a. Kranlasten bis hin zu fliegenden Objekten, die durch Naturgewalten wie Stürme zu Geschossen werden, um nur einige Beispiele zu nennen.
Welche katastrophalen Folgen und Auswirkungen derartige Belastungsszenarien haben können, ist spätestens seit dem 11. September 2001 bei der Auslegung kritischer Stahlbetonkonstruktionen im Fokus. Besonders kritische Infrastrukturen wie nukleare Anlagen, Zwischenlager und Kernkraftwerke, Stauanlagen, Industrieanlagen aber auch konventionelle, zivile Bauwerke und Strukturen müssen so konstruiert werden, dass gegenüber unbeabsichtigten oder beabsichtigten stoßartigen Belastungsszenarien ein ausreichender Schutz gegeben ist.
Um die hohen qualitativen Anforderungen an die Bauwerke erfüllen zu können, sind essenzielle Kenntnisse über das Verhalten von Beton und Stahlbeton gegenüber dynamischen Aufprallbelastungen oder Einschläge von Projektilen erforderlich. International wurde und wird stetig daran geforscht, korrekte und sichere Auslegungs- und Bemessungskonzepte für derartige Belastungen zu schaffen. Einhergehend mit dieser Problemstellung ergibt sich unweigerlich die Fragestellung nach effizienten, robusten und vor allem praxistauglichen Berechnungsmethoden, Ingenieurmodellen und Bemessungsansätzen.
Gesamtziel der Arbeit ist die Weiterentwicklung von Analysemethoden zur Simulation der Schädigung von Stahlbetonstrukturen infolge stoßartiger Belastungen.
Dabei stellt die komplexe numerische Finite Elemente (FE) Methoden zur Beurteilung der Tragfähigkeit von Stahlbetonbauwerken ein wirkungsvolles Hilfsmittel dar. Hierfür wird ein Analysemodell entwickelt bzw. weiterentwickelt, welches in der Lage ist, robust und effizient, das komplexe nichtlineare Materialverhalten des Stahlbetons bei Impaktvorgängen abzubilden. Dies betrifft insbesondere die Simulation von lokalen Schädigungsmechanismen.
Ergänzend existieren bereits zahlreiche empirische und semi-empirische Modelle, die mit wenigen Eingangsparametern die Tragfähigkeit vereinfacht abschätzen können, deren Anwendungsgrenzen allerdings aufgrund ihres empirischen Charakters stets einzuhalten sind und die Anwendbarkeit somit einschränken. Diese werden unter Verwendung vergangener, sowie aktueller experimenteller Untersuchungen neu bewertet und deren Anwendbarkeit beurteilt.
Mit Hinblick auf eine effiziente und vor allem praxistaugliche Bemessung wird ein schädigungsadaptives Ingenieurmodell zur Beurteilung der Schädigung an Stahlbetonplatten infolge Stoßbelastungen entwickelt. Das entwickelte Ingenieurmodell ist in der Lage, das lokale und globale Schwingverhalten von Stahlbetonplatten mit variierenden Randbedingungen unter stoßartigen Belastungen abzubilden und die wesentlichen mechanischen Schädigungsmechanismen zu berücksichtigen. Es leistet somit einen Beitrag zur Verbesserung des Kenntnisstandes über die lokale und globale Tragfähigkeit von Plattenstrukturen. Die numerische Finite Elemente (FE) Methode wird aufgrund der komplexen Anwendung zur Verifikation und Validierung des Ingenieurmodells genutzt.
Zusammenfassend werden u. a. folgende Frage- und Problemstellungen beantwortet werden:
- Wie soll ein numerischen Finite-Elemente Modell sowie die Analysemethodik aussehen, um lokale und globale Schädigungsmechanismen von Stahlbetonstrukturen infolge stoßartiger Belastungen robust prognostizieren zu können?
- Welche Materialmodelle eignen sich zur Schädigungssimulation?
- Wie gut prognostizieren existierenden empirischen Ansätze die Penetration und Perforationsdicke infolge stoßartiger Belastungen?
- Wie kann die Kraft-Wechselwirkung beim harten Stoß zwischen Stahlbetonstruktur und Projektil quantifiziert werden?
- Wie kann die Strukturantwort infolge harter und weicher Stoßbelastungen vereinfacht analytisch prognostiziert werden?
Die vorliegende Arbeit wurde im Rahmen der BMWi-Forschungsprojekte
- „Weiterentwicklung der Analysemethoden zur Simulation der Schädigung und der induzierten Erschütterungen in Stahlbetonstrukturen infolge stoßartiger Belastungen Teilvorhaben: Verhalten von Stahlbetonstrukturen bei Stoßbelastungen unter Berücksichtigung der Boden-Bauwerk-Wechselwirkung“ kurz SimSebsowie
- „Robuste Ingenieurmodelle zur Schädigungssimulation von Stahlbetonstrukturen infolge stoßartiger Belastungen“ kurz KEK erstellt.
Ersteres Forschungsprojekt wurde in Kooperation mit der Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS) durchgeführt und durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) im Rahmen der Reaktorsicherheitsforschung unter der Vorhabensnummer 1501538A gefördert. Letzteres wird durch das BMWi, im Rahmen der Kompetenzerhalt Kerntechnik, unter dem Förderkennzeichen 1501611 gefördert.
Quellen:
Pascal Distler: Weiterentwicklung von Analysemethoden zur Schädigungssimulation von Stahlbetonstrukturen infolge stoßartiger Belastungen, Dissertation 2023
Abbildung 2:
Marcus Hering:Untersuchung von mineralisch gebundenen Verstärkungsschichten für Stahlbetonplatten gegen Impaktbeanspruchungen 2021
Abbildung 3:
Nuclear Energy Agency:Improving Robustness Assessment Methodologies for Structures Impacted by Missiles (IRIS_2010) Januar 2012
Nuclear Energy Agency:Improving Robustness Assessment Methodologies for Structures Impacted by Missiles (IRIS_2012) August 2014.
Heckötter, C., Arndt, J., Sievers, J.:Methoden zur Simulation stoßbeanspruchter Stahlbetonstrukturen unter Berücksichtigung induzierter Erschütterungen. Köln 2020
Abbildung 4:
Distler, P., Sadegh-Azar, H., Heckötter, C.:Enhancement of Engineering Models for Simulation of Soft, and Hard Projectile Impact on Reinforced Concrete Structures: Nuclear Engineering and Design.
Abbildung 5:
Hochtief AG Abteilung Kerntechnischer Ingenieurbau: 1500408 (RS467). I. Technischer Bericht Hard Missile Test. Frankfurt am Main 1984.